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„Der Mühlehof, Mühlackers Licht und Schatten”
Auf dieser Seite möchte ich Ihnen gerne mein Fotoprojekt über den Mühlacker Mühlehof vorstellen. Nachdem dieses mit zwei Begehungen im August 2017 abgeschlossen war, hatte kurz darauf die Pforzheimer Zeitung in einem größeren Feature darüber berichtet.
Das aktuelle Fotoprojekt unterscheidet sich in mancher Weise von meinen beiden großen Architekturprojekten der letzten Jahre in der Region: Standen bei der Maulbronner Gießerei die historische Spurensuche und atmosphärische Rekonstruktion des früheren Geschehens im Vordergrund, so kam bei der Mühlacker Ziegelei noch ein Kennenlernen und Verabschieden vor Ort hinzu; der Mühlacker Mühlehof hingegen steht insbesondere für eine maßgebliche Wegstation meiner künstlerischen Entwicklung …
Doch zunächst einige Worte zum Objekt selbst: ´Kupfertempel´ wurde der Mühlehof in der Öffentlichkeit und in kommunalpolitischen Kreisen bisweilen genannt, dort gebe es ´oben Kultur und unten Käse´. Man mag wohl bei solch spitzzüngigen Formulierungen aufhorchen und sich seinen Teil dazu denken – der Rückblick auf einen in jenen Zeiten (des Entschlusses Ende der 70er bzw. der Inbetriebnahme Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts) vorherrschenden ´Gigantismus der vollen Kassen und des ebensolchen Geltungsbedürfnisses´ scheint darin inbegriffen; gleichsam eine beträchtliche Skepsis ob der von Beginn an geteilten Trägerschaft mit Kultur in öffentlicher und Gewerbe in privater Hand, die durch die Erfahrung von Leerstand und Vernachlässigung ja fortwährend neue Nahrung fand; schließlich die Ambivalenz, ob man darob eher stolz (wegen des beachtlichen Theaterbetriebs) oder eher bedrückt bis beschämt (wegen abblätternder Fassade, leerstehender Geschäfte und nachlassender Besucherzahlen) sein solle.
Niedergang, Infragestellung und schließlich Ausmusterung des Mühlehofs ergaben sich in einer Zeit, als ich mich zur Jahrtausendwende nach Medizinstudium, Facharzt- und Therapieweiterbildung in Mühlacker niederließ, Mitte des nachfolgenden Jahrzehntes die (zwischenzeitlich ein wenig in den Hintergrund geratene) künstlerische Spurensuche meiner jüngeren Jahre wiederaufnahm und mich zum Ende jenes Jahrzehnts hin bei der Mühlacker Künstlergruppe einfand, die damals in Teilen des verwaisten Erdgeschosses residierte. Von der Blüte des Mühlehofs hatte ich also wenig mitbekommen, wohl aber von dessen Agonie.
Auch in der Künstlergruppe wurden die vormalige Bedeutung und das anstehende Schicksal des Mühlehofs heftig diskutiert, doch erschien mir jene Konstellation, daß gerade dessen Dornröschenschlaf die Aktivitäten der hiesigen Künstlergruppe derart beförderte bzw. überhaupt erst ermöglichte, seltsam. So orientierte ich mich in der Präsentation meiner Konzepte und Arbeiten alsbald in Richtung auswärtiger Galerien und Kunstvereine, was mir im Sinne der künstlerischen Weiterentwicklung und Namensschaffung auch im Rückblick richtig erscheint.
Wieder gingen im Mühlehof viele Jahre ins Land: Das Büro der Gartenschau kam und ging, die VHS siedelte sich im Erdgeschoß an und verschwand wieder, der Investor redete viel und machte nichts, das Finanzamt gab ein längeres Intermezzo. Über einen Rechtstreit fiel die Zuständigkeit für den Mühlehof schließlich wieder an die Stadt zurück. Wieder kamen und gingen neue Ideen, desgleichen neue Investoren. Die Mängel der Optik und der Sicherheit am Objekt gaben schließlich nach etwa 35 Jahren des Bestehens den Ausschlag zur Abriß- und Neubauentscheidung, und jener Beschluß gab mir dann seinerseits Anlaß zur Fortsetzung des Fotoprojekts – begonnen hatte ich dies ja schon mit ersten Durchgängen durch die leerstehende Ladenpassage im Februar 2010 und durch den nächtlichen Außenbereich im Juli 2011.
*** Studie 01 bis 18, davon gezeigt 05, 08, 16 und 17 ***
Nach der akribischen Führung durch Joachim Ertl von der Mühlacker Stadtverwaltung fand ich mich zur Erstbegehung am 04.08.2017 im Objekt zurückgelassen. Wie fühlte ich mich dort, was sagte es mir? Über das ´Ach und Ei ob der kundigen Hinweise´ hinaus doch erst einmal herzlich wenig! Ich fühlte mich ein wenig befremdet, fast abgestoßen, trug schwer an der schwülen Hitze des Tages, die sich im ungelüfteten Inneren noch potenzierte. Schier wollte ich entfliehen und konnte es doch nicht, denn ich war dort – auf eigenen Wunsch – ja noch gut und gerne zweieinhalb Stunden eingeschlossen. Alleine die Größe drohte mich zu erschlagen: Wohin zunächst, wohin überhaupt, wo war ´dies und das´ gleich noch einmal?
Auf dem Dach war mir plötzlich wohl – ein angenehmer Wind vertrieb die Schwüle, brachte ´frische Luft in den Kopf´, der Blick über Mühlackers Dächer öffnete neue, bis dahin unbekannte, gar ungeahnte Perspektiven. So fand ich mich plötzlich an einem zentralen Ort der mir schon längst zur Heimat gewordenen Stadt wieder, welcher Erhabenheit, Überblick und auch viele detaillierte Ausblicke auf die sonst ´verborgene Dächerwelt´ bot. Besonders rührte mich auch die Geschichte des Bühnenmeisters, der dort vormals lebte, wirkte und seine großen Hunden gerne in den Dachauslauf schickte: ´Wohl einer der größten Balkone Mühlackers´, wie es in einem Zeitungsbericht aus dem Jahre 2009 einmal hieß. Er sei heute berentet und lebe anderswo, hatte ich seitens Jochim Ertl noch im Ohr – was so sein mochte oder in gewisser Weise auch nicht, denn ein wenig schien mir doch noch das ´Phantom der Oper´ durch die nunmehr leeren Räume zu schweben; seine ehemalige Dienstwohnung nahm ich jedenfalls auf die Agenda der Zweitbegehung.
Doch konzentrierte ich mich zuerst auf den Bühnenbereich und die Regieräume, wo ich tatsächlich jenen (schon von den vorangegangenen Architekturprojekten bekannten) ´Charme des Morbiden und vormals Gewesenen´ wiederfand. So leer und entnutzt hatte das Ensemble eine melancholische, schummrige Ausstrahlung, die sich mir in aktiven Zeiten nie recht vermitteln wollte (wir waren freilich nicht oft dort). Die Chiaroscuro-Motive waren ästhetisch ansprechend, die Linien und Flächen vor Ort ließen sich dramatisch-kompositorisch gut nutzen. Joachim Ertl erwähnte die gewitterwolkenartige Decke und das fehlende Tageslicht, was ich in solcher (bildsuchender) Weise freilich weniger störend empfand.
Mit diesem ´Einfinden in die Bühnenmotive´ änderte sich meine innere Einstellung – ich merkte, wie ich nun allmählich ´die fotografische Fährte aufnahm´. So die Bühne den dunklen Part abgegeben hatte, fand ich im Foyer dazu den lichten Gegenpol, der sich mit seinen klaren Linien, Spiegelungen und gestaffelten Flächen grafisch markieren ließ. Fundstücke vor Ort gab es wegen der Leere wenig, hier mußten ´tote Winkel, Einkaufswägen und um die Ecke schauende Füße´ an deren Stelle treten und ´Geschichten des einstmals Gewesenen´ erzählen.
*** Studie 19 bis 29, davon gezeigt 21, 22, 28 und 29 ***
Zur Zweitbegehung am 11.08.2017 war mir alles schon vertrauter, fand ich mich vor Ort auch besser zurecht. Zunächst stand die ehemalige Dienstwohnung des Bühnenmeisters auf dem Plan, und hier hatte es mir insbesondere jener ´Raum mit Palmentapete´ mit seinem Anachronismus aus Heimat und Exotik, mit all seinen Ausblicken in Zimmerflucht und Umgebung angetan – Allegorien von ´versenkbaren Palmenhainen und streunenden Hunderudeln auf entlegenen Südseeinseln´ wehten dabei durch mein Gemüt und erfüllten mich mit seltsam melancholischer Heiterkeit.
Kurz streifte ich beim Hinabweg vom Dach- zum Untergeschoß noch den hinteren Bühnenumlauf in den mittleren Etagen, also den ehemaligen Verwaltungs- und Garderobenbereich des Theaters. Beklemmend eng und ohne Tageslicht waren hier die Gänge, gleichsam klein und düster die eigentlichen Räume. Und doch fand sich hier in Form einer schier endlosen Reihung von Aufführungsplakaten der ´ganze Stolz der vielen Jahre´, quasi ein Nachweis des seit Anbeginn Geleisteten, aufgeführt.
Ich stand längere Zeit davor, versuchte all das zu würdigen und zu bestaunen, doch wollte mir dies angesichts der Vorstellung der ´baldigen Pulverisierung des Gebäudes´ nicht recht gelingen – so der Mühlehof in dieser Form nicht mehr bestünde, wäre diese Art von Erinnerung und Andenkenswahrung gleichsam unwiderruflich erloschen.
Einen zweiten Motivschwerpunkt bildete an diesem Tag das weitläufige Souterrain, welches in seinen Haupt- und Nebenräumen vormals einen Discounter beherbergte. Das Wissen darum, daß dessen Weggang als Ankermieter erheblich zum langen Niedergang und nun anstehenden Abriß des einstmals so stolzen Objekts beitrug, lastete schwer auf diesen Räumen – sinnbildlich stehen dafür die Bilder in den hochgesetzten Marktleiterbüros.
Der Blick in die Weite des Hauptraumes eröffnete schließlich noch weitere Perspektiven – ein geisterhaft im Weg stehender Wärmeschrank, eine Art von Sektempfang in gekachelter Atmosphäre oder eine Anzahl von Einkaufswägen, die wie unartige Schüler ins Eck gestellt wurden.
*** Studie 30 bis 40, davon gezeigt 32, 34, 35, 37 und 40 ***
Was ist für mich die vorläufige Bilanz dieses Fotoprojekts? Nun, es ging mir hierbei (wie zu Beginn schon angedeutet) in erster Linie um die innere Auseinandersetzung mit einer maßgeblichen Wegstation meiner künstlerischen Entwicklung, welche das Objekt für mich eben bedeutete. Mich bedrückte die Vorstellung, mich vom Mühlehof nicht verabschiedet zu haben, wenn dieser fiele.
Diese innere Abschiednahme gelang rundweg: Als ich nach der Zweitbegehung die Tür hinter mir zuzog, war ich mir soweit sicher, alles für mich darin Wichtige gesehen zu haben und nun auch hinter mir lassen zu können; gänzlich verloren ist es ja nicht, denn die Wahrnehmungen, Überlegungen und Empfindungen vor Ort leben ja in den Bildern fort und werden auch (wie schon bei den Mühlacker Ziegelwerken) die bloße Existenz des Objekts überdauern.
Im Zuge der Abschiednahme gelang auch noch manche interessante bis schlitzohrige Neuentdeckung, wie in der obenstehenden Beschreibung der einzelnen Passagen angedeutet. Eine Analogie der Trauer klingt hierin auch an, wie wenn wir uns also in der inneren Verabschiedung von etwas Vertrauten nochmals eingehend mit den verschiedenen Facetten unserer Beziehung auseinandersetzen, um solche Erinnerungsbilder zu vervollständigen, abzurunden und in deren allmählicher Verblassung auch Raum für Neues zu schaffen.